Biodiversität in Gefahr - warum?
Es gibt so viele Tiere, Blumen, Bäume, Pilze, wir haben scheinbar eine reiche Natur in der Schweiz. Warum soll die Artenvielfalt in Gefahr sein?
Seit 1900 nimmt die biologische Vielfalt in der Schweiz stetig ab. Die Meliorationen des 20. Jahrhunderts haben die Landschaften der Schweiz umgepflügt. Steinhaufen, Trockenmauern, Weidgassen, Ackerterrassen wurden beseitigt, Geländeunebenheiten planiert, Bäche unter den Boden verlegt, Sümpfe drainiert, Strassen an den Waldrand gebaut, Hecken und Bäume gerodet. Erst ab den 1990er-Jahren wurden die Anliegen von Natur und Landschaft mitberücksichtigt. Die Wirkung der vorgesehenen Ersatzmassnahmen ist aber oft viel zu klein und zu isoliert, um Spezialisten und seltenen Arten ein Zuhause zu bieten. Zudem werden diese raren Lebensräume gefährdet durch Schad- und Nährstoffeinträge, standortfremde Neobiota, Austrocknung, etc.
Milan, Luchs und Wolf haben sich hierzulande erfolgreich wieder angesiedelt. Wozu aber braucht es 100 Arten von Heuschrecken? Oder 786 Flechtenarten? Oder 1100 Moose? Ist es erheblich, dass 35 Blütenpflanzen- und 9 Fischarten ausgestorben sind? Je grösser die Verschiedenartigkeit aller Populationen, desto besser ist ihre Anpassungsfähigkeit bei Veränderungen der Umweltbedingungen und desto stabiler sind die erbrachten Ökosystemleistungen. Ein Verlust an Biodiversität hat daher nicht nur ökologische, sondern auch soziale und ökonomische Konsequenzen.
Vielfalt der Gene
Die genetische Vielfalt ist die «Versicherung» für den Fortbestand einer Population, denn es überleben nur diejenigen Varianten, die sich anpassen können, beispielsweise an den Klimawandel. Die in der Schweiz traditionell hohe genetische Vielfalt der Kultursorten ist durch einseitige Züchtung mittlerweile eher verarmt. Alte Sorten und Rassen bergen einen riesigen genetischen Schatz, der von der Stiftung ProSpecieRara gehütet wird. Eine trockenheitsresistente Kartoffelsorte dürfte bald eine wichtige Rolle spielen.
Vielfalt der Arten
In der Schweiz sind bisher rund 30‘000 Tierarten und 19‘000 Pflanzen- und Pilzarten bekannt, 35% sind gefährdet. Die rote Liste ist weit länger als in allen anderen Ländern Europas. Wer weiss, vielleicht verbirgt sich gerade in einer gefährdeten Blüte oder einem noch nicht entdeckten Pilz ein Wirkstoff, der bspw. Alzheimer heilt. Seit 2002 überwacht das Biodiversitätsmonitoring Schweiz BDM die hiesige Artenvielfalt und das Schweizerische Informationszentrum für Arten InfoSpecies stellt eine Datenbank zur Verfügung, die eine wichtige Basis bildet für die Politik in den Bereichen Naturschutz, Land- und Forstwirtschaft und auch für die Kooperation mit den Nachbarländern.
Vielfalt der Lebensräume
Die vielfältige Landschaft der Schweiz, vor allem in den Alpentälern, zeigt eine grosse Fülle an unterschiedlichen Lebensräumen. Sie sind in einem umfassenden System klassifiziert. Mehr als 250 Vegetationsgesellschaften sind in Bereiche wie Feuchtgebiete, Gewässer, Wiesen, Wälder, Gebüsche, Äcker, etc. eingeteilt. Jeder dieser Lebensräume ist geprägt durch die darin lebenden Organismen und deren Wechselwirkungen untereinander und mit ihrer Umwelt. Das beste Kosten-Nutzen-Verhältnis im Artenschutz hat der Erhalt der Lebensräume.
Note ungenügend
Das BAFU schreibt in einem Bericht 2023: «Der Zustand der Biodiversität in der Schweiz ist unbefriedigend. Die Hälfte der Lebensräume und ein Drittel der Arten sind bedroht. Mit dem Rückgang der Artenvielfalt geht auch die genetische Vielfalt verloren. Die Verluste halten auf allen Ebenen der Biodiversität an.» Mit dem Aktionsplan Strategie Biodiversität wollte der Bund bis 2020 17% der Landesfläche zugunsten der Biodiversität unter Schutz stellen, 13,4% waren es 2022. Die Umsetzung der Strategie ist noch für keinen Biotoptyp und in keinem Kanton abgeschlossen.
Handlungsbedarf besteht
Je grösser ein Ökosystem ist, desto grösser ist sowohl der Reichtum der Arten als auch ihre genetische Verschiedenheit. Noch besser ist es, wenn die verschiedenen Lebensräume untereinander gut vernetzt sind um den Austausch der Arten und Gene zu gewährleisten. Der Schutz der Biodiversität ist aber in der Schweiz stark auf isolierte Gebiete fokussiert. Die aktuelle Qualität, Quantität und vor allem die Vernetzung der geschützten Lebensräume reichen nicht aus, um die Biodiversität langfristig zu erhalten. ak