CO2 vergraben oder als Rohstoff nutzen?

Die Crew von Synhelion mit dem Herzstück der Anlage, dem thermochemischen Reaktor.
www.synhelion.com
www.climeworks.com

Am besten beides. Um bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen, wird die sogenannte Negativemissionstechnologie nötig sein, d.h. die technische Entnahme von CO2 aus der Luft. Das Kohlendioxid wird mit Wasser gemischt, in poröses Gestein gepresst, kristallisiert sich dort und bleibt auf ewig im Stein eingeschlossen. Entnommenes Kohlendioxid wird aber auch zum Rohstoff für synthetische Treibstoffe. Damit in Zukunft auch Flugzeuge, Schiffe, Schwerverkehr und Baumaschinen, bei denen eine Elektrifizierung nur schwer möglich ist, klimaneutral unterwegs sein können.

«Direct Air Capture»
Mit grossen Ventilatoren wird Luft angesaugt und durch einen Filter gepresst. Dieser bindet das CO2. Ist der Filter voll, wird er auf 100 Grad erhitzt, was die CO2-Moleküle wieder entbindet. Somit kann das CO2 abgetrennt und einer Anwendung zugeführt werden. Weltführer dieser Technologie ist die Schweizer Firma Climeworks. Auf dem Dach der KVA Hinwil steht das erste Werk von Climeworks. Das dort entnommene CO2 wird im benachbarten Gewächshaus als Dünger verwendet und in Vals dem Wasser beigefügt. Seit 2021 ist Orca, die derzeit grösste Anlage von Climeworks, neben einem Geothermiewerk in Island in Betrieb. 4’000 Tonnen CO2 jährlich werden dort abgeschieden und direkt in den Untergrund gepresst. Kriterien für die Standortwahl solcher Anlagen sind leicht verfügbare erneuerbare Energie und geeignete Topographie. Die Schweiz kann hier nicht wirklich punkten, besser geeignet sind die nordafrikanischen Wüsten, Australien oder die nordeuropäischen Länder.

Bei Climeworks kann man sich auch als Privatperson quasi am Emissionshandel beteiligen, d.h. für 100 € kann man ein Zertifikat von 100 kg dauerhaft entsorgtem CO2 zeichnen – auch eine Form von Crowdfunding …. Obwohl, die 600 Mio. Franken Eigenkapital, die namhafte Investoren in der letzten Finanzierungsrunde Anfang April 2022 eingebracht haben, wirkungsvoller sein werden. Climeworks ist im März 2022 im Time-Magazin auf der Liste der 100 einflussreichsten Firmen in der Kategorie „Innovators“ aufgeführt.

«Sun-to-Liquid»
Mit dem extrahierten CO2 von Climeworks lässt sich auch „e-fuel“ produzieren, synthetischen Treibstoff, der mittels Strom aus Wasser und CO2 hergestellt wird. Porsche baut ein solches Werk in Chile mit Strom aus geplanten hundert Windturbinen. Der hohe Stromverbrauch in diesem „Power-to-Liquid“-Verfahren ist ein limitierender Faktor für die Nachhaltigkeit des synthetischen Treibstoffs.

Hier setzt ein anderes ETH-Spin-off an, Synhelion. Die Hitze, die für die chemische Reaktion nötig ist, wird nicht mit Solar- oder Windstrom erzeugt, sondern mit konzentrierter Sonnenwärme: Ein Spiegelfeld leitet das Sonnenlicht direkt zum thermischen Synhelion-Reaktor und produziert dort bei 1500 Grad Celsius aus Wasser und CO2 aus dem Climeworks-Aggregat ein Synthesegas aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid. Mittels standardisierter Verfahren wird dieses Gas zu Benzin, Diesel, Kerosin und Methanol verarbeitet. Bei der Verbrennung zum Beispiel in einem Flugzeugmotor entsteht wieder Energie, Wasserdampf und die gleiche Menge CO2 – eine 100%-Energiekreislaufwirtschaft, wie sie Elisabeth Zwicky Mosimann vorschwebt.

Die Technik ist vorhanden, es braucht nur noch Investitionskapital. Bereits mit an Bord ist die Swiss: Synhelion habe eine Schlüsseltechnologie entwickelt, deren Potenzial theoretisch ausreichen könne, um den Bedarf des globalen Luftverkehrs zu decken. In einer Demonstrationsanlage bei Jülich will Synhelion auf einer Fläche von 8 Hektaren und mit 2000 Spiegeln «einige tausend Liter» Kerosin herstellen. Ziel ab 2030 ist ein Produktionsvolumen von 875 Mio. Litern Solarkerosin. Bis 2040 sollen aus Anlagen in sonnigeren Gefilden 50 Milliarden Liter Solarkerosin fliessen, der ganze Bedarf des heutigen europaweiten Luftverkehrskehrs.

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