Genom-Editierung - Schlüssel für eine umweltfreundlichere Landwirtschaft?

Die sogenannte grüne Gentechnik ist nach Meinung von Molekularbiolog:innen und Pflanzengenetiker:innen zur Sicherung der Ernährung in Zukunft unbedingt notwendig. Bei der grünen Gentechnik handelt es sich um Verfahren, mit denen man gezielt Gene in das Erbgut von Pflanzen übertragen kann. Mit solchen Verfahren war erstmals ein Transfer von Genen einer Art auf eine andere Art machbar. Gängige Züchtungen ohne Gentechnik, bei denen beispielsweise Erbgut von Pflanzen mit Chemikalien behandelt oder radioaktiv bestrahlt wird oder die Herstellung von sogenannt reinerbigen Pflanzen, brauchen viel Zeit und/oder es entstehen dabei zahlreiche unerwünschte Mutationen. Neben den gentechnischen Verfahren der ersten Generation (Einschleusen von Genen durch biologische Transportvehikel oder durch eine Partikelkanone) ist mit der Editierung von pflanzlichen Genomen (Gesamtheit der Erbanlagen) ein neues Verfahren hinzugekommen.

Genschere für genaue Bearbeitung
Die Ende der 1980er Jahre in Bakterien entdeckte und seither weiterentwickelte Methode der Genschere CRISPR/Cas9 erlaubt punktgenaues Eingreifen in die Gene. Die Züchtung von Mutationen wird so stark beschleunigt. Durch Genom-Editierung herbeigeführte Mutationen unterscheiden sich oft nicht mehr von natürlichen Veränderungen. Cisgene Pflanzen enthalten im Gegensatz zu transgenen Pflanzen nur Gene der gleichen oder einer verwandten und kreuzbaren Pflanzensorte.
Pflanzlicher Stoffwechsel ist komplex und vernetzt. Deshalb genügen wenige Genveränderungen nicht, um optimale «Wunderpflanzen» zu entwickeln, die vielfältige positive Eigenschaften kombinieren, z.B. hohe Erträge, Hitze- und Schädlingsresistenz. Die genetische Komplexität zeigt sich z.B. am Brotweizen, der vom Menschen in den vergangenen etwa 8000-9000 Jahren aus den wilden Getreiden Emmer und Ziegengras der asiatischen Steppe gezüchtet wurde. Der heutige Weichweizen hat ein aus 100’000 Genen bestehendes Genom. Zum Vergleich: Das menschliche Genom enthält 25’ 000 Gene.

Feldforschung als erster Schritt vom Labor zur Anwendung in der Praxis
Die im Labor erhaltenen Resultate müssen durch Feldversuche überprüft werden. Wegen des 2005 in der Schweiz im Anschluss an eine Volksabstimmung eingeführten Moratoriums für die kommerzielle Nutzung von gentechnisch veränderten Pflanzen ist der Anbau von solchen Pflanzen nur zu Forschungszwecken möglich. Das Moratorium wurde 2021 um weitere fünf Jahre verlängert. Bis 2024 soll der Bundesrat aber abklären, ob der Anbau von bestimmten Genom-editierten Pflanzen doch erlaubt werden soll.
2014 wurde am Standort Reckenholz ZH von Agroscope, der dem Bundesamt für Landwirtschaft angegliederten Forschungsanstalt, eine gesicherte Versuchsfläche in Betrieb genommen, die eine in Europa einzigartige Möglichkeit für Freilandforschung mit gentechnisch veränderten Pflanzen (GVP) unter strengen Biosicherheitsauflagen bietet. Feldversuche sind jeweils bewilligungspflichtig und müssen dem Bundesamt für Umwelt vorgelegt werden. Was wurde und wird in Reckenholz erforscht? Seit 2017 laufen parallel jeweils vier Projekte. Beim Feldversuch mit gentechnisch verändertem Winterweizen wurde untersucht, ob das Verwenden eines Gens aus Gerste für den Zuckertransport das Ertragspotenzial von Weizen erhöhen kann. Bei allen anderen Versuchen ging bzw. geht es um die Erforschung der Resistenz von Pflanzen gegen Krankheiten (Mehltau bei Weizen, Feuerbrand bei Äpfeln und Knollenfäule bei Kartoffeln).
Auf internationaler Ebene werden aktuell mindestens 140 marktorientierte Nutzpflanzen mittels Genom-Editierung entwickelt. In vielen Ländern sind heute Pflanzen, die mittels dieser Technik verändert wurden, ohne dabei fremde Erbinformation aufzunehmen, nicht als GVP eingestuft.

Wird grüne Gentechnik
doch mehrheitsfähig?
In der Schweiz überwiegt bis jetzt die Skepsis gegenüber der grünen Gentechnik. Studien, die von einer ETH-Forscherin gemacht wurden, deuten jedoch auf einen anscheinend in der Bevölkerung stattfindenden Meinungsumschwung hin. Diese Veränderung könnte durch die aktuellen Krisen (Getreidekrise durch den Ukraine-krieg, Auswirkungen des Klimawandels) verstärkt werden.
Die heute restriktiven Regelungen der grünen Gentechnik wirken sich zugunsten von multinationalen Agrarkonzernen wie Monsanto oder Syngenta aus, da diese grossen Firmen die nötigen Mittel zur Bezahlung eines teuren Zulassungsverfahrens für GVP haben. Wäre der Anbau von GVP erlaubt, käme es nach Ansicht des Direktors des Instituts für Pflanzen- und Mikrobiologie der Universität Zürich zur Entstehung von vielen Startup-Firmen. ck

Quellen: UZH Magazin, Nr. 2/2022, S. 32-35 und S.37-39;
Agrarforschung Schweiz, Nr. 12 / 2021, S. 9-15;
Webseite www.pflanzenforschung.de

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