Klimaschutzverordnung

Stellungnahme der Umweltfreisinnigen St.Gallen:

  1. Vorbemerkungen

Mit der Annahme des Klimaschutz-Gesetzes am 18. Juni 2023 hat sich das Volk klar zum Ziel einer weitestmöglichen Emissionsminderung im Inland ausgesprochen. Der erläuternde Bericht schreibt (Seite 4), die «Anrechnung von im Ausland erzielten Verminderungen» sei «grundsätzlich» möglich, «auch beim Ziel für 2050». Diese Aussage widerspricht Art. 3 Abs. 1 Bst. b KlG und ist zu korrigieren.

Das KlG will Hebel schaffen, die über die Schweizer Grenzen hinaus wirken: die Innovationsförderung; Massnahmen, die die Finanzmittelflüsse betreffen; und die «Vorbildwirkung von Bund und Kantonen», die auch vor- und nachgelagerte Emissionen durch Dritte umfasst. Die entsprechenden Ausführungsbestimmungen sind auf diese Hebelwirkung auszurichten.

Die Unternehmens- resp. Branchenfahrpläne sowie die Finanzhilfen für neuartige Technologien und Prozesse sollen die Dekarbonisierung der Wirtschaft voranbringen und nicht lediglich bestehende Fossilenergie-basierte Techniken effizienter nutzen. Es sollen Technologien und Prozesse gefördert werden, die ein hohes Multiplikationspotential aufweisen und sich auf dem Markt nicht von allein durchsetzen können.

Die Schweiz ist ein kleines Land mit einem grossen Finanzplatz. Umso wichtiger ist es, dass die Finanzmittelflüsse eine emissionsarme und gegenüber dem Klimawandel widerstandsfähige Entwicklung ausgerichtet werden: Dies ist sowohl eine Verpflichtung aus dem Übereinkommen von Paris wie auch ein Zweck des Klimaschutz-Gesetzes (Art. 1 Bst. c). Der Bundesrat schreibt in seinen Erläuterungen (Seite 9): «Die bestehende gesetzliche Grundlage erlaubt es nicht, in der vorliegenden Verordnung konkrete Massnahmen zur Verminderung der negativen bzw. Förderung der positiven Klimawirkung von nationalen und internationalen Finanzmittelflüssen zu ergreifen.» Das steht in direktem Widerspruch zu Art. 9 Abs. 1 KlG, der ebendiese gesetzliche Grundlage bereitstellt und einen klaren Auftrag erteilt: «Der Bund sorgt dafür, dass der Schweizer Finanzplatz einen effektiven Beitrag zur emissionsarmen und gegenüber dem Klimawandel widerstandsfähigen Entwicklung leistet.» Die KlV muss Art. 9 KlG zwingend konkretisieren.

Verschiedentlich hat die verantwortliche Behörde dargelegt, dass sie darauf abzielt, möglichst wenige, dafür grossen Projekteingaben zu erhalten. Entsprechend ist die Verordnung so aufgebaut, dass der Zugang zu Fördergeldern für KMU erschwert ist. Anders als der Bundesrat sehen wir die Grundlage dafür nicht durch die parlamentarischen Verhandlungen gegeben. Wir verstehen, dass das BAFU in Bezug auf die Behandlung der Gesuche beschränkte Möglichkeiten hat. Der faktische Ausschluss der KMU darf aber nicht durch mangelnde Kapazitäten für die Verarbeitung begründet werden. Wir regen an, dass das BAFU eine separate Möglichkeit schafft, wie KMU unbürokratisch Zugang zu Finanzmitteln erhalten. Um die Administration zu vereinfachen, könnte für diesen Prozess ein Rahmenvertrag an die beiden Effizienzagenturen ACT und EnAW oder andere geeignete Körperschaften vergeben werden.

  1. Artikelweise Rückmeldung zur Klimaschutz-Verordnung

Art. 4 KlV: Wie in den Erläuterungen dargelegt, machen die CO2-Emissionen nur rund einen Drittel der gesamten Klimawirkung der Luftfahrt aus. Wichtig sind namentlich die Wasserdampf-Emissionen in der Stratosphäre. Diese sind in Abs. 1 nicht aufgezählt. Das ist zu korrigieren.

Der erläuternde Bericht (Seite 7) schreibt: «Gestützt darauf kann der Bund prüfen, ob und wann eine Berücksichtigung dieser Wirkungen für das Netto-Null-Ziel möglich ist. Dafür wäre eine Anpassung der gesetzlichen Grundlagen notwendig.» Die Frage, ob die Nicht-CO2-Wirkungen der Luftfahrt zu berücksichtigen sind, beantwortet Art. 3 Abs. 6 KlG eindeutig; die gesetzlichen Grundlagen sind gegeben. Die Nicht-CO2-Wirkungen der Luftfahrt sind zu berücksichtigen.

 Art. 5 KlV: Bst. e verlangt, dass die Absenkpfade «in der Regel linear» sein müssen. Das ist für einzelne Unternehmen nicht sinnvoll. In vielen Unternehmen gibt es eine Hauptemissionsquelle. Wird diese eliminiert, reduzieren sich die direkten Emissionen von einem Tag auf den anderen auf fast null. Der Absenkplan eines einzelnen Unternehmens muss sich am Ziel, spätestens 2050 Netto Null zu erreichen.

Laut dem KlG sollen die Fahrpläne mindestens die direkten und indirekten Emissionen umfassen, optional also auch die vor- und nachgelagerten Emissionen durch Dritte. Dies muss in Art. 5 der Verordnung reflektiert sein.

Der Artikel ist zudem zu ergänzen um spezifische Mindestanforderungen an Netto-Null-Fahrpläne der Finanzinstitute. Hier müssen die nachgelagerten Emissionen im Zentrum stehen, stossen Finanzinstitute selbst doch nur wenig Treibhausgase aus, können aber mit ihren Finanzierungen grosse Emissionen auslösen.

Wir schlagen für Art. 5 Bst. e folgende Umformulierung vor: «einen Absenkplan für die direkten, indirekten und wenn möglich vor- und nachgelagerten Emissionen, welche die jeweils frühestmögliche Umsetzung wirtschaftlich tragbarer Massnahmen vorsieht, spätestens 2050 zu netto null Treibhausgasemissionen führt und Zwischenziele für 2030 und 2040 beinhaltet.»

Art. 7 Bst. b: Investitionen in den Klimaschutz sollen nicht einseitig unter der Kostenperspektive betrachtet werden. Darum fordern wir folgende Umformulierung: «eine Kostenschätzung Abschätzung von Kosten und Nutzen der Umsetzung;»

Art. 8 KlV: Betreiber von Luftfahrzeugen sollen die Nicht-CO2-Klimawirkung des Betriebs der Luftfahrzeuge in den Fahrplänen abbilden müssen und nicht bloss können.

Art. 10 Abs. 3 Bst. i: Es muss sichergestellt werden, dass die Emissionsreduktionen nicht dazu führen, dass zusätzliche Emissionen oder andere Umweltbelastungen in der gesamten Wertschöpfungskette entstehen. Darum folgende Ergänzung in diesem Artikel: «…, wobei die gesamte Wertschöpfungskette zu berücksichtigen ist.»

Art. 12 KlV: Abs. 3 Bst. i ist eine zentrale Bestimmung. Es bleibt aber unklar, ob damit auch die Auswirkungen der vor- und nachgelagerten Prozesse gemeint sind. Der Text ist so zu formulieren, dass auch diese Prozesse mitgemeint sind.

Art. 13 KlV: Damit die Innovationsförderung möglichst grosse Hebelwirkung entfalten kann, müssen Pioniertechnologien und -prozesse gefördert werden, die ein hohes Multiplikationspotential aufweisen: Es geht nicht darum, «low hanging fruits» zu ernten. Das Kriterium der Kosten pro verminderter Tonne CO2eq kein sinnvolles Kriterium: Im Pionierstadium können Massnahmen sehr teuer sein, die sich jedoch als sehr nützlich erweisen, sobald Skaleneffekte zu greifen beginnen. Dieses Kriterium ist zu streichen. Hingegen soll das Multiplikationspotenzial schon in Abs. 2 statt erst in Abs. 3 entscheidend sein.

Art. 17 Abs. 7 (neu): «Die Veröffentlichung bedarf einer Freigabe durch die Geförderten. Ohne Freigabe dürfen nur generische Daten wie Prozess und angewendete Technologie erwähnt werden. Die Projektanträge unterstehen nicht dem Öffentlichkeitsprinzip.»

Diese Ergänzung zum Schutz von Fabrikations- und Geschäftsgeheimnissen.

Art. 18 KlV: Das KlG fordert eine Risikoabsicherung für Infrastrukturen, «die für die Erreichung des Netto-Null-Ziels notwendig sind». Der Bericht der UREK-N zum KlG vom 25. April 2022 nennt als Beispiele nebst thermischen Netzen «CO2-Pipelines und die sichere und dauerhafte Speicherung der abgeschiedenen, auch längerfristig unvermeidbaren Treibhausgasemissionen», während der vorliegende Entwurf der KlV nur noch von thermischen Netzen und Langzeitspeichern spricht. Abs. 1 muss korrigiert werden und auch Infrastrukturen zur CO2-Entsorgung nennen.

Ferner sind Abs. 3 und 4 anzupassen: Die maximal abgesicherte Summe muss deutlich über 5 Mio. Franken betragen und die Absicherung ist auf maximal 20 Jahre nach Inbetriebnahme zu verlängern, da dies der technischen Lebensdauer einer üblichen Wärmequelle entspricht.

Art. 19 KlV: Laut Abs. 1 Bst. c dürfen thermische Netze, um die Voraussetzungen für eine Absicherung zu erfüllen, mit bis zu 20 Prozent fossilen Brennstoffen betrieben werden. Dadurch wird die Risikoabsicherung zu einer Subvention für eine Fossilenergie-Anwendung! Auch die IEA empfiehlt, erneuerbare Lösungen für die Deckung von Spitzenlasten bei der Fernwärme zu nutzen (Medienmitteilung des Bundesamts für Energie vom 11. September 2023). Der Einsatz fossiler Energieträger zur Abdeckung von Spitzenlasten darf allenfalls in bestehenden – nicht in neuen – Netzen und nur bis längstens 2030 zulässig sein.

Art. 19. Abs. 2 Bst. b ist wie folgt zu ändern: Wegfall des Wärmebezugs eines oder mehrerer Kunden von mindestens 2 MW Leistung pro Jahr oder mehr als 40 20 Prozent der gesamten Wärmeproduktion. Begründung: Insbesondere unter Berücksichtigung, dass die Intention darin besteht eher grosse Versorgungsgebiete mit einer Bürgschaft zu bedienen, ist ein Ausfall von 40% erheblich. Generell würde wohl keine Betreiber ein Versorgungsgebiet planen, bei welchem er realistisch mit einem Wegfall des Bedarfs von 40% rechnen müsste. Ein nahtloser Übergang von der einen zur anderen Bedingung ergibt sich jedoch bei 20%. Versorgungsgebiete mit 10 MW Leistung oder kleiner könnten somit erst bei einem Ausfallrisiko für mehr als 20% mit einer Bürgschaft bedient werden.

Art. 26 KlV: Blosse freiwillige Klimatests sind nicht ausreichend, um dem Zweck des Klimaschutz-Gesetzes (Art. 1 Bst. c KlG) gerecht zu werden. Abs. 1 ist so zu ergänzen, dass die Klimatests zwar zunächst freiwillig sind, der Bundesrat aber mit der Finanzbranche wie in Art. 9 Abs. 2 KlG vorgesehen Vereinbarungen trifft, wenn die Klimatests freiwillig zu wenig benutzt werden, um repräsentative Resultate zu liefern. Ein zusätzlicher Artikel muss zudem die Klimawirksamkeit von Massnahmen im Finanzbereich präzisieren.

Anhang 1, Ziff. 3: Im Katalog der nachgelagerten Emissionen durch Dritte fehlt ausgerechnet eine der für die öffentliche Hand wichtigsten Kategorien: der Verkehr auf den vom Bund gebauten Verkehrsinfrastrukturen. Der Katalog muss ergänzt werden.

Anhang 2, Ziff. 5: Es ist essenziell, dass Negativemissionen nur anrechenbar sind, wenn Emissionen schwer vermeidbar sind. Hier ist das Gesetz konkreter als die Verordnung. Die Verordnung ist an den Gesetzestext (Art. 3 Abs. 4 KlG) anzugleichen: Massnahmen zur Speicherung von fossilen und prozessbedingten CO2-Emissionen dürfen nur zulässig sein, wenn die Vermeidung des abgeschiedenen CO2 technisch nicht möglich oder wirtschaftlich nicht tragbar ist.

3. Änderungen weiterer Erlasse (Energieverordnung vom 1. November 2017)

Art. 54a Abs. 7 (neu): Eine Bundesförderung steht nur in Kantonen zur Verfügung, die MuKen 2014 umgesetzt haben, den Ersatz von fossilen Heizungen durch neue fossile Heizungen einschränken oder verbieten.

Begründung: Erfahrungsgemäss beschleunigt eine Kombination von Förderung und Einschränkung

  1. Definition «dauerhafte Kohlenstoffspeicher»

Das Klimaschutz-Gesetz enthält den Begriff der «dauerhaften Bindung von CO2 in Kohlenstoffspeichern». In der KlV fehlt eine Definition von «dauerhaft». Derzeit legt die CO2-Verordnung, Art. 5 Abs. 2, fest, dass Bescheinigungen möglich sind, wenn «die Permanenz der Kohlenstoffbindung (…) bis mindestens 30 Jahre nach Wirkungsbeginn ausreichend sichergestellt ist». Das KlG hat gegenüber dem CO2-Gesetz neu die Anforderung der Dauerhaftigkeit geschaffen. 30 Jahre ist nicht dauerhaft. Temporäre Speicher, die CO2 nur für einige Jahrzehnte binden, sollen gefördert werden können, aber nur, wenn das Wiederaustreten des CO2 aus diesen Speichern korrekt bilanziert wird.

11.5.2024 Vorstand Umweltfreisinnige St.Gallen

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