Zirkuläres Bauen

Das Konzept der Kreislaufwirtschaft hält auch auf dem Bau Einzug. Die naheliegende Lösung ist, Gebäude möglichst lange zu erhalten. Dies gelingt mit einer guten Bauqualität und dem Einsatz von langlebigen Materialien.

Verlängerung des ersten Lebens
In einem Standardgebäude steckt 75 % der grauen Energie in der Tragstruktur und im Fundament. Wenn also nur schon das «Skelett» der Gebäude erhalten bleibt, kann ein Grossteil der grauen Energie und des zum Neubau benötigten Wassers eingespart werden. Gebäude zu erhalten, um- und auszubauen oder aufzustocken ist ein wichtiger kreislaufwirtschaftlicher Ansatz. Das Erstellen einer Ökobilanz könnte die Entscheidung bei Abbruch-Neubau-Projekten wesentlich beeinflussen.

Hilfreich wäre ein Zertifikat über den Ressourcenverbrauch von Bauwerken – eine Art «Materialpass». Im Rahmen der Vernehmlassungsvorlage «Schweizer Kreislaufwirtschaft stärken» hatte der Schweizerische Ingenieur- und Architektenverein SIA einen solchen gefordert, dazu Grenzwerte für die grauen Treibhausgasemissionen bei Neubauten und bei wesentlichen Erneuerungen bestehender Gebäude, eine Pflicht für die Trennbarkeit von Bauteilen sowie eine Vorbildfunktion des Bundes beim ressourcenschonenden Bauen mit dem Fokus Lebensdauerverlängerung von Bauwerken.

Zweites Leben für Bauteile
Können Bauten nicht mehr weitergenutzt werden, lassen sich einzelne Bauteile wiederverwenden, z.B. Fenster, Türen, Heizkörper, Fassadenelemente. Hier sind neue Ideen von Architektinnen und Architekten gefordert: Entwurf und Planung müssen sich an den verfügbaren gebrauchten Materialien orientieren. Sehr oft mangelt es aber an ökonomischen Anreizen, gebrauchte Materialien sind zwar günstiger und schnell verfügbar, hingegen ist die Planung anspruchsvoller. Bisher profitieren weder Bauherrschaften noch Hersteller finanziell davon, wenn sie auf kreislauffähige Materialien setzen.

Die Schweizer «Re-use»-Szene ist klein, Bauteilbörsen noch Nischen. Zirkuläre Produktions- und Wiederwendungssysteme sind lokal oder regional und bestehen aus Dienstleistungen, die primär da erbracht werden müssen wo die Besitzer und ihre Güter sind. Der Verein Cirkla hat sich zum Ziel gesetzt, die Wiederverwendung in der ganzen Schweiz zu fördern und in einem Netzwerk Nachfrage, Angebot und Knowhow zusammenzubringen. www.cirkla.ch.

Am Ende des Lebenszyklus
Erst wenn die Bauteile das Ende ihres Lebenszyklus erreicht haben, sollen sie rezykliert werden. Das ist gerade im Bereich der Fassade schwierig. Dämmmaterialien sind meist stark verschmutzt, beschädigt und mit Schadstoffen belastet. Heute werden die meisten mineralischen Dämmungen auf der Deponie, die mineralölbasierten über die Kehrichtverbrennung (KVA) entsorgt.

Bereits weit fortgeschritten ist das Zermahlen von Betonabbruch zu qualitativ einwandfreiem Recyclingbeton. Dieses Potential wird selten ausgenutzt, denn die Kosten für das Deponieren der Abfälle sind tief und der rezyklierte Beton gleich teuer wie neuer, resp. teurer, wenn günstiges Kies aus dem Ausland verwendet wird. Verlässliche Rahmenbedingungen und Nachhaltigkeitsstandards könnten zu einer besseren Ausnutzung des Potenzials führen. In der Stadt Zürich, zum Beispiel, werden bei Neubauten gemäss Minergie-ECO-Standard mindestens 50% Recyclingbeton verwendet.

Langlebig, leicht trennbar und schadstofffrei
Sowohl für Wiederverwendung als auch für Recycling müssen die verschiedenen Materialien oder Bauteile leicht voneinander zu trennen sein. Das gelingt nur, wenn die Grundsätze der Kreislaufwirtschaft beim Bau eines Gebäudes oder bei der Produktentwicklung von Beginn an mitgedacht werden. Rechtlich gesehen ist die Frage offen, ob «Re-use»-Teile Abfall seien – in diesem Fall käme das Umweltschutzgesetz zum Tragen oder ob sie als Bauprodukte betrachtet werden, dann würde das Bauproduktegesetz angewandt. Darum braucht die Industrie Garantien – z.B. vertrauenswürdige Zertifizierungen von wiederverwendeten Materialien und kohärente rechtliche Vorschriften mit einheitlichen Definitionen.

Wichtig für die Rezyklierbarkeit ist auch, dass die Materialien frei von Schadstoffen sind. Wer kreislauffähig bauen will, achtet darauf, dass die verwendeten Produkte keine problematischen Inhaltsstoffe enthalten. Als Beispiel sei das neuartige Zero Waste Wärmedämm-Verbundsystem weber.therm circle genannt, das nach dem Rückbau sortenrein getrennt und wiederverwertet werden kann. www.de.weber

Zeit für Holz
Kreislaufwirtschaftliches Denken führt direkt zum nachwachsenden Rohstoff Holz. In den Herstellungsprozess von Holz muss sehr wenig Primärenergie gesteckt werden, ausserdem bindet Holz beim Wachsen CO2. Trotzdem erreicht der Marktanteil des Holzbaus erst 15,6 %. Das ist zu wenig, wenn das Bauwerk Schweiz klimatauglich werden soll.

Holz kann heute in allen Gebäudekategorien und für alle Nutzungen angewendet werden; mehrgeschossige Bauten aller Art und selbst Hochhäuser sind damit möglich und auch schon gebaut worden. Aufgrund seines geringen Gewichts ist Holz prädestiniert für Aufstockungen und Erweiterungen. Auch für den Bau energiesparender Häuser ist Holz wunderbar geeignet und selbst Brücken und fantastische Dachkonstruktionen lassen sich aus Holz bauen.

Nach dem ersten, langen Leben als Baustoff hat Holz die Chance, in zerkleinerter und in Platten gepresster Form nochmals zu Möbeln verbaut zu werden. Ganz am Ende der Nutzungskette kann Holz thermisch genutzt werden. Die Verbrennung setzt genau gleich viel Kohlenstoff frei, wie für das Wachstum gebraucht wurde, ein perfekter Kreislauf. www.lignum.ch ׀ www.holzbau-schweiz.ch

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